Aufarbeitung

Unrecht und Fehlverhalten aufklären und benennen

Hier finden Sie Informationen zum Thema Aufarbeitung: zum einen zur im Aufbau befindlichen Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission (URAK) und außerdem bereits erschienenen Aufarbeitungsstudien im Gebiet der Nordkirche.

Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission

Zuerst in aller Kürze: Die Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen (URAK) werden ab Frühjahr 2025 die Rechte Betroffener im Sinne der Aufarbeitung stärken. Sie können in Zukunft unabhängig von landeskirchlichen Gremien über Projekte der Aufarbeitung entscheiden. In der Mehrheit sind sie besetzt mit kirchenunabhängigen Vertreter*innen und mit Betroffenenvertreter*innen.

 

Ihre Gründung geht zurück auf die „Gemeinsame Erklärung“ zwischen UBSKM (Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs), der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) und der Diakonie Deutschland, die am 13. Dezember 2023 unterzeichnet wurde. Hier finden Sie die Pressemeldung dazu und hier den Wortlaut der Gemeinsamen Erklärung.

Ziel der Kommissionen

Es gibt zwei Kommissionen: Während die Anerkennungskommissionen betroffene Personen durch die Anerkennung von Unrecht und mit Anerkennungsleistungen in der individuellen Aufarbeitung unterstützen, sollen die Aufarbeitungskommissionen eine unabhängige, detaillierte und regionalbezogene institutionelle Aufarbeitung ermöglichen. Es werden deutschlandweit neun URAKS aufgebaut, in denen Diakonien und Landeskirchen zusammenarbeiten.

 

Die Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission URAK Verbund Nord-Ost

Die Nordkirche arbeitet im so genannten Verbund Nord-Ost mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), den Diakonischen Werken Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern sowie dem Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz zusammen.


Betroffene sind eingeladen zu Austausch und Mitgestaltung

Wenn Sie als betroffene Person interessiert sind, mehr über die Aufarbeitung zu erfahren oder daran mitzuarbeiten, sind Sie ausdrücklich eingeladen, an den Betroffenenforen der Region teilzunehmen. Diese sollen etwa jährlich stattfinden. Diese Inhalte werden besprochen:

  • Sie werden über die Entwicklungen zu Prävention, Anerkennung und Aufarbeitung informiert.
  • Sie können die Arbeit der zukünftigen Aufarbeitungskommission verfolgen.
  • Sie können sich über Ihre Themen mit anderen Betroffenen austauschen.
  • Sie können aus Ihrer Mitte Betroffenenvertreter in die Kommission entsenden.
  • Sie können selbst anbieten, für die Vertretung in der URAK zur Verfügung zu stehen. Das bedeutet Einsatz und Aufwand. Über die Entsendung entscheidet das Betroffenenforum gemeinsam.   
  • Wir möchten Sie ausdrücklich ermutigen, teilzunehmen. Es ist jederzeit möglich hinzuzukommen.
  • Ihr Kontakt ist der Leiter der Geschäftsstelle der URAK Verbund Nord-Ost, Herr Manuel Stadtmüller unter  info[at]urak-nord-ost.de
 

Mit diesen Worten hat Detlev Zander, Betroffener und Sprecher der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforums der EKD die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung kommentiert:


„Eine überaus wichtige Errungenschaft der Gemeinsamen Erklärung ist es, dass die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt der evangelischen Landeskirchen und der Diakonie endlich vereinheitlicht wird.

 

Der Flickenteppich verschiedener Landeskirchen und diakonischen Werke ist für betroffene Personen einfach viel zu unübersichtlich und das führt sehr häufig zu zusätzlichen Belastungen bei betroffenen Menschen.

 

Mit der Gemeinsamen Erklärung und der Bildung Unabhängiger Regionaler Aufarbeitungskommissionen wird hier Abhilfe geschaffen; für mehr Transparenz und Handlungssicherheit bei Betroffenen in der nun klarer geregelten Aufarbeitung sexualisierter Gewalt.“

Leitung der Geschäftsstelle

Manuel Stadtmüller hat am 01. Oktober 2024 die Leitung der Geschäftsstelle der URAK Verbund Nord-Ost übernommen.
Sein Dienstsitz ist Hamburg und Berlin.

Als Leiter der Geschäftstelle der URAK ist er zu erreichen unter:
Email info[at]urak-nord-ost.de

Aufbau der URAK Verbund Nord-Ost

Manuel Stadtmüller begleitet aktuell den Aufbau der URAK Verbund Nord-Ost. Er wird die Kommission und die Betroffenenforen bei ihrer Arbeit und Vernetzung unterstützen. Dabei ist es für alle Beteiligten zentral, dass für die Position eine kirchenunabhängige Person gefunden werden konnte.

Manuel Stadtmüller (Jahrgang 1984) hat einen Abschluss in Psychologie. Er besitzt langjährige Erfahrung im Umgang mit betroffenen Menschen, arbeitete als systemisch-integrativer Coach und Deeskalationstrainer und in der therapeutischen Arbeit mit schutzbedürftigen Personengruppen.

Er hatte zuvor eine leitende Position in der Wiedereingliederungshilfe und forensischen Nachsorge inne. Darüber hinaus war ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit die Organisationsentwicklung und überregionale Koordination psychosozialer Betreuungseinrichtungen.

Hier erfahren Sie mehr über den Aufbau der URAK.

Aufgaben und Besetzung der URAK

Aufgaben der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission

Die folgenden Informationen können Sie auch der Gemeinsamen Erklärung und der Auslegungshilfe zur Gemeinsamen Erklärung entnehmen. Wir möchten Ihnen einen kurzen Überblick ermöglichen. 

 

Dies sind die Fragestellungen, denen sich die URAK widmen kann:
  • Quantitative Erhebung von Fällen sexualisierter Gewalt, um deren Ausmaß in den beteiligten Landeskirchen und den Gliederungen der diakonischen Landesverbände zu erkennen.
  • Identifikation von Strukturen, die sexualisierte Gewalt ermöglichen, begünstigen, deren Aufdeckung erschweren oder dies in der Vergangenheit getan haben.
  • Untersuchung und Evaluierung des administrativen und verfahrensrechtlichen Umgangs mit Betroffenen und weiteren Beteiligten in den beteiligten Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden und Ermöglichung der individuellen Aufarbeitung Betroffener.
  • Unterstützung, Evaluierung und Beratung der beteiligten Landeskirchen und diakonischen Landesverbände im Hinblick auf die institutionelle Aufarbeitungspraxis und die unabhängige Aufarbeitung konkreter Fälle sowie deren quantitative und qualitative Analyse.
  • Ansprechpartner sein für Betroffene und die Kirchen und Diakonischen Werke in ihrer Region bei ihren Aufarbeitungsbemühungen.
Die Besetzung der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen

Das Gremium soll aus mindestens sieben Personen bestehen:

  • Durch die Betroffenenvertretung werden mindestens zwei betroffene Personen aus dem Raum der Evangelischen Kirche oder Diakonie benannt.
  • Die zuständigen Landesregierungen benennen Expert*innen aus der Zivilgesellschaft, die Verantwortung tragen, zum Beispiel aus Geschichtswissenschaft, Archivwesen, Rechtswissenschaft, Psychologie, Soziologie, Pädagogik oder Theologie oder ähnlichen Bereichen.
  • Weniger als die Hälfte der Kommissionsmitglieder sind Vertreter*innen der Landeskirchen und Landesverbände der Diakonie. Sie werden von dort benannt.
  • Weniger als 50 Prozent der Kommissionsmitglieder dürfen Beschäftigte der Evangelischen Kirche oder der Diakonie sein oder einem ihrer Gremien angehören.
 
So sollen die Kommissionen arbeiten

Im Grundsatz arbeiten die Kommissionen unabhängig, aber koordiniert. Folgende Instrumente werden in der „Gemeinsamen Erklärung" als Grundlage der Arbeit genannt:

  • Sie können dezentral betroffene Personen anhören.
  • Sie informieren sich über bestehende Studien (insbesondere die ForuM-Studie).
  • Sie können neue Studien mit Zustimmung des Verbunds vergeben.
  • Sie bearbeiten Beschwerden betroffener Personen.
  • Sie erhalten das Recht zur Akteneinsicht.
  • Sie setzen eigene Schwerpunkte je nach Verbund.

Das Ziel ist die Gründung der Kommissionen bis März 2025. Die URAKS starten nicht ohne Betroffenenvertreter*innen. Die Verbünde sind in intensiver Vorbereitung und Vorarbeit.


Aufarbeitungsstudien in der Nordkirche

Aufarbeitungsprozesse in der Nordkirche

Geschichte der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen

Die Nordkirche hat gemeinsam mit dem Kirchenkreis Hamburg-Ost 2012 eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Gebiet der ehemaligen Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, heute Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland, eingesetzt.

Anlass für den Auftrag waren Fälle von sexualisierter Gewalt an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch zwei Täter in der Kirchengemeinde Ahrensburg in den 1970er und 1980er Jahren, die im Jahr 2010 bekannt wurden.

Darüber hinaus wurden auch Fälle aus der jüngeren Vergangenheit in einer Kita in Schnelsen untersucht. Die Beauftragung hatte die nachhaltige und präventiv ausgerichtete Aufarbeitung der Auswirkungen sexualisierter Gewalt in Kirchengemeinden zum Ziel.

Zur dieser Kommission gehörten:

  • Dr. Dirk Bange, Leiter der Abteilung Familie und Kindertagesbetreuung der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration in Hamburg
  • Ursula Enders, Mitbegründerin und Leiterin von Zartbitter Köln e. V.
  • Petra Ladenburger, Rechtsanwältin
  • Martina Loersch, Rechtsanwältin

Aus der Arbeit dieser ist im Jahr 2014 ein Schlussbericht entstanden, der Geschehnisse dokumentiert und als Basis für verbesserte Prävention, Intervention und Aufarbeitung dient. Er ist im folgenden Abschnitt zu finden.

Nachgefolgt sind Anerkennungskommissionen, die weiterhin für die Begleitung und Aufarbeitung mit Betroffenen da sind. Sie sollen Anerkennung aussprechen und Anerkennungsleistungen zusprechen. Informationen zur aktuellen Kommission finden Sie weiter oben.

Aufarbeitung sexualisierte Gewalt im Heim Margaretenhort

Der "Margaretenhort" wurde in den 1970/80er Jahren als ein kirchliches Kinderheim in Heimfeld geführt. Dort kam es über einen langen Zeitraum zu teils massiver sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen beiderlei Geschlechts durch ältere männliche Jugendliche. Nach aktuellem Kenntnisstand erlitten mindestens zehn Mädchen und ein kleiner Junge im Alter von etwa zwei bis 16 Jahren  massive Gewalt.

Die Taten wurden durch die damaligen Mitarbeiter*innen weder benannt noch unterbunden. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen wurden nicht geschützt. Viele der Betroffenen sind darum traumatisiert und leiden bis heute unter den Folgen. Bis 2016 hatte weder eine Aufarbeitung stattgefunden, noch gab es strafrechtliche Konsequenzen.

Zeitzeug*innen haben sich im Frühjahr 2016 an eine Vertrauensperson im Margaretenhort gewandt und berichteten über die erlebten Vorfälle. Diese informierte den Kirchenkreis Hamburg-Ost als Gesellschafter der Margaretenhort gGmbH. Das ehemalige Kinderheim stand in der Zeit der Vorfälle in der Trägerschaft des damaligen Kirchenkreises Harburg.

Gemeinsam mit der neuen Geschäftsführung wurde ab Sommer 2016 der Aufarbeitungsprozess begonnen. Dr. Ulrike Winkler bekam als unabhängige Wissenschaftlerin den Auftrag, eine unabhängige, wissenschaftlich fundierte Studie zu erstellen.

Die Studie wurde am im Frühjahr 2021 als Buch veröffentlicht und ist im Buchhandel erhältlich:

„Kein sicherer Ort“ von Ulrike Winkler
Verlag für Regionalgeschichte
Bielefeld 2021, 171 Seiten
ISBN 978-3-7395-1285-3

Für Betroffene stehen weiterhin feste Kontaktpersonen sowohl im Margaretenhort zur Verfügung. Auch die unten genannte Unabhängige Ansprechstelle UNA und die Annerkennungskommission auf diesen Seiten können angesprochen werden.

Weitere Informationen zur Aufarbeitung sind auf den Seiten des Margaretenhorts zu finden.

 

Schlussbericht der unabhängigen Kommission

Nach knapp zwei Jahren Arbeit hat die unabhängige Kommission am 3. Oktober 2014 ihren Schlussbericht vorgelegt. Der Bericht ist für die Kirche und ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein wichtiges Dokument. Er enthält auf 500 Seiten viele wichtige Hinweise für die Präventions- und Interventionsarbeit. Die Nordkirche hat den Bericht veröffentlicht:

Hier finden Sie den Schlussbericht der unabhängigen Kommission und hier eine rund 30-seitige Zusammenfassung des Schlussberichtes.

Die Nordkirche hat unmittelbare Konsequenzen aus dem Bericht gezogen. Dazu hat die Erste Kirchenleitung der 2012 vereinten Nordkirche auf der Basis wesentlicher Empfehlungen der unabhängigen Experten kirchliche Fachstellen um die Erarbeitung von Konzepten und die Einleitung bereits vorbereiteter Maßnahmen gebeten.

Das Resultat der Empfehlungen sind alle Strukturen, Stellen und Konzepte zur Prävention und Intervention gegen sexualisierte Gewalt, die auf dieser Seite präsentiert werden und die in der Nordkirche umgesetzt werden. Kirche zu einem sicheren Ort zu machen, eine Kultur der grenzachtenden Kommunikation und Klarheit auf allen Ebenen der Nordkirche, der Kirchenkreise und der Gemeinden ist das Ziel.