Aufarbeitung
Unrecht und Fehlverhalten aufklären und benennen
Hier finden Sie Informationen zum Thema Aufarbeitung: zum einen zur im Aufbau befindlichen Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission (URAK) und zum bereits erschienenen Aufarbeitungsstudien im Gebiet der Nordkirche.
Auf dieser Seite:
Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission
Die Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen (URAK) werden die Rechte Betroffener im Sinne der Aufarbeitung stärken. Sie ermöglichen unabhängige Aufarbeitung, denn sie können unabhängig von landeskirchlichen Gremien über Projekte der Aufarbeitung entscheiden. Sie werden außerdem mehrheitlich mit kirchenunabhängigen Vertreter*innen und mit Betroffenenvertreter*innen besetzt sein.
Ziel der Kommissionen
Während die Anerkennungskommissionen der Landeskirchen betroffene Personen durch die Anerkennung von Unrecht in der individuellen Aufarbeitung unterstützen, sollen die Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen eine unabhängige, detaillierte und regionalbezogene institutionelle Aufarbeitung ermöglichen und dadurch das bestehende System der Aufarbeitung ergänzen.
Es werden insgesamt neun Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen aufgebaut, in denen Diakonien und Landeskirchen zusammenarbeiten. Die Nordkirche arbeitet im so genannten Verbund Nord-Ost mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), den Diakonischen Werken Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern sowie dem Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz zusammen.
Austausch und Möglichkeit zur Mitgestaltung für Betroffene
Wenn Sie als betroffene Person aus dieser Region interessiert sind, mehr über die Aufarbeitung zu erfahren oder daran mitzuarbeiten, sind Sie eingeladen, an in Zukunft jährlich stattfindenden Betroffenenforen teilzunehmen.
- Hier werden Betroffene über die Entwicklungen zu Prävention, Anerkennung und Aufarbeitung informiert.
- Sie können die Arbeit der zukünftigen Aufarbeitungskommission verfolgen.
- Sie können sich austauschen.
- Mit dem Ziel, über Aufarbeitung mitzubestimmen, können sie gemeinsam aus ihrer Mitte die Betroffenenvertreter als Mitglieder der Kommission entsenden.
- Es ist immer möglich, dazuzukommen.
- Bitte melden Sie sich dazu bei der Stabsstelle Prävention der Nordkirche, Frau Seiler oder den Ansprechpersonen der EKBO.
Die Aufgaben der Kommissionen
- Quantitative Erhebung von Fällen sexualisierter Gewalt, um deren Ausmaß in den beteiligten Landeskirchen und den Gliederungen der diakonischen Landesverbände zu erkennen.
- Identifikation von Strukturen, die sexualisierte Gewalt ermöglichen, begünstigen, deren Aufdeckung erschweren oder dies in der Vergangenheit getan haben.
- Untersuchung und Evaluierung des administrativen und verfahrensrechtlichen Umgangs mit Betroffenen und weiteren Beteiligten in den beteiligten Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden und Ermöglichung der individuellen Aufarbeitung Betroffener.
- Unterstützung, Evaluierung und Beratung der beteiligten Landeskirchen und diakonischen Landesverbände im Hinblick auf die institutionelle Aufarbeitungspraxis und die unabhängige Aufarbeitung konkreter Fälle sowie deren quantitative und qualitative Analyse.
- Ansprechpartner für Betroffene und die Kirchen und Diakonischen Werke in ihrer Region bei ihren Aufarbeitungsbemühungen sein.
Die Besetzung der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen
Die Kommission soll aus mehr als sieben Personen bestehen. Unter den Kommissionsmitgliedern sind zwei aus dem Kreis der im Raum der evangelischen Kirche und Diakonie von sexualisierter Gewalt Betroffenen. Ihre Benennung erfolgt durch Betroffenenvertretungen. Diese sollen aus einer Betroffenenbeteiligung in Betroffenenforen hervorgehen.
- benannt durch die Betroffenenvertretung werden zwei betroffene Personen aus dem Raum der Evangelischen Kirche oder Diakonie,
- benannt durch zuständige Landesregierungen werden Expert*innen, die gesellschaftliche Verantwortung tragen, z. B. Geschichtswissenschaft, Archivwesen, Rechtswissenschaft, Psychologie, Soziologie, Pädagogik oder Theologie,
- Vertreter*innen der Landeskirchen und Landesverbände der Diakonie, benannt durch Landeskirchen und Landesverbände der Diakonie
Weniger als 50 Prozent der Mitglieder dürfen Beschäftigte der Evangelischen Kirche oder der Diakonie sein oder einem ihrer Gremien angehören. Bezüglich der Berufung der Mitglieder aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz oder öffentlicher Verwaltung werden die Landesregierungen um Benennung geeigneter Personen gebeten.
So sollen die Kommissionen arbeiten
Im Grundsatz arbeiten die Kommissionen unabhängig, aber koordiniert. Folgende Instrumente werden in der Gemeinsamen Erklärung genannt:
- Die dezentrale Anhörungen von betroffenen Personen
- Die Rezeption bestehender Studien (insbesondere auch ForuM)
- Die Vergabe von neuen Studien mit Zustimmung des Verbunds
- Die Bearbeitung von Beschwerden durch betroffene Personen
- Das Recht zur Akteneinsicht
- ggf. mit unterschiedlichen Schwerpunkten je nach Verbund
Das Ziel ist die Gründung der Kommissionen bis März 2025. Die URAKS starten nicht ohne Betroffenenvertreter*innen. Die Verbünde sind in intensiver Vorbereitung und Vorarbeit.
- Wofür ist die URAK da?
- Wer arbeitet in diesem Gremium?
- Wer kann sich an das Gremium wenden?
- Wie funktioniert die Finanzierung?
- Worüber kann das Gremium entscheiden?
- Wie wird die Mitarbeit von betroffenen Menschen organisiert?
- Betroffene können sich zur Mitarbeit melden? Wohin kann ich mich in diesem Fall wenden?
Aufarbeitungsstudien in der Nordkirche
Aufarbeitung in der Nordkirche
Geschichte der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen
Die Nordkirche hat gemeinsam mit dem Kirchenkreis Hamburg-Ost 2012 eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Gebiet der ehemaligen Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, heute Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland, eingesetzt.
Anlass für den Auftrag waren Fälle von sexualisierter Gewalt an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch zwei Täter in der Kirchengemeinde Ahrensburg in den 1970er und 1980er Jahren, die im Jahr 2010 bekannt wurden.
Darüber hinaus wurden auch Fälle aus der jüngeren Vergangenheit in einer Kita in Schnelsen untersucht. Die Beauftragung hatte die nachhaltige und präventiv ausgerichtete Aufarbeitung der Auswirkungen sexualisierter Gewalt in Kirchengemeinden zum Ziel.
Zur dieser Kommission gehörten:
- Dr. Dirk Bange, Leiter der Abteilung Familie und Kindertagesbetreuung der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration in Hamburg
- Ursula Enders, Mitbegründerin und Leiterin von Zartbitter Köln e. V.
- Petra Ladenburger, Rechtsanwältin
- Martina Loersch, Rechtsanwältin
Aus der Arbeit dieser ist im Jahr 2014 ein Schlussbericht entstanden, der Geschehnisse dokumentiert und als Basis für verbesserte Prävention, Intervention und Aufarbeitung dient. Er ist im folgenden Abschnitt zu finden.
Nachgefolgt sind Anerkennungskommissionen, die weiterhin für die Begleitung und Aufarbeitung mit Betroffenen da sind. Sie sollen Anerkennung aussprechen und Anerkennungsleistungen zusprechen. Informationen zur aktuellen Kommission finden Sie weiter oben.
Aufarbeitung sexualisierte Gewalt im Heim Margaretenhort
Der "Margaretenhort" wurde in den 1970/80er Jahren als ein kirchliches Kinderheim in Heimfeld geführt. Dort kam es über einen langen Zeitraum zu teils massiver sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen beiderlei Geschlechts durch ältere männliche Jugendliche. Nach aktuellem Kenntnisstand erlitten mindestens zehn Mädchen und ein kleiner Junge im Alter von etwa zwei bis 16 Jahren massive Gewalt.
Die Taten wurden durch die damaligen Mitarbeiter*innen weder benannt noch unterbunden. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen wurden nicht geschützt. Viele der Betroffenen sind darum traumatisiert und leiden bis heute unter den Folgen. Bis 2016 hatte weder eine Aufarbeitung stattgefunden, noch gab es strafrechtliche Konsequenzen.
Zeitzeug*innen haben sich im Frühjahr 2016 an eine Vertrauensperson im Margaretenhort gewandt und berichteten über die erlebten Vorfälle. Diese informierte den Kirchenkreis Hamburg-Ost als Gesellschafter der Margaretenhort gGmbH. Das ehemalige Kinderheim stand in der Zeit der Vorfälle in der Trägerschaft des damaligen Kirchenkreises Harburg.
Gemeinsam mit der neuen Geschäftsführung wurde ab Sommer 2016 der Aufarbeitungsprozess begonnen. Dr. Ulrike Winkler bekam als unabhängige Wissenschaftlerin den Auftrag, eine unabhängige, wissenschaftlich fundierte Studie zu erstellen.
Die Studie wurde am im Frühjahr 2021 als Buch veröffentlicht und ist im Buchhandel erhältlich:
„Kein sicherer Ort“ von Ulrike Winkler
Verlag für Regionalgeschichte
Bielefeld 2021, 171 Seiten
ISBN 978-3-7395-1285-3
Für Betroffene stehen weiterhin feste Kontaktpersonen sowohl im Margaretenhort zur Verfügung. Auch die unten genannte Unabhängige Ansprechstelle UNA und die Annerkennungskommission auf diesen Seiten können angesprochen werden.
Weitere Informationen zur Aufarbeitung sind auf den Seiten des Margaretenhorts zu finden.
Schlussbericht der unabhängigen Kommission
Nach knapp zwei Jahren Arbeit hat die unabhängige Kommission am 3. Oktober 2014 ihren Schlussbericht vorgelegt. Der Bericht ist für die Kirche und ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein wichtiges Dokument. Er enthält auf 500 Seiten viele wichtige Hinweise für die Präventions- und Interventionsarbeit. Die Nordkirche hat den Bericht veröffentlicht:
Hier finden Sie den Schlussbericht der unabhängigen Kommission und hier eine rund 30-seitige Zusammenfassung des Schlussberichtes.
Die Nordkirche hat unmittelbare Konsequenzen aus dem Bericht gezogen. Dazu hat die Erste Kirchenleitung der 2012 vereinten Nordkirche auf der Basis wesentlicher Empfehlungen der unabhängigen Experten kirchliche Fachstellen um die Erarbeitung von Konzepten und die Einleitung bereits vorbereiteter Maßnahmen gebeten.
Das Resultat der Empfehlungen sind alle Strukturen, Stellen und Konzepte zur Prävention und Intervention gegen sexualisierte Gewalt, die auf dieser Seite präsentiert werden und die in der Nordkirche umgesetzt werden. Kirche zu einem sicheren Ort zu machen, eine Kultur der grenzachtenden Kommunikation und Klarheit auf allen Ebenen der Nordkirche, der Kirchenkreise und der Gemeinden ist das Ziel.