CVJM-Hochschule Kassel: Neue Studie zu Sexualität und Glauben veröffentlicht
"Let's talk about Sex*uality": Unter diesem Motto wurde am 4. November 2025 die empirica Sexualitätsstudie zu Sexualität und Glauben veröffentlicht. Die Ergebnisse wurden auf einem Fachtag an der CVJM-Hochschule präsentiert.
Studie zeigt Spannungen zwischen Glaube und Sexualität
In Kassel wurde am 4. Oktober 2025 eine der umfassendsten Studien zu Sexualität und Christentum in Deutschland präsentiert. Sie wurde vom Institut empirica mit der Stiftung Christlicher Medien von 2022 bis 2025 realisiert.
Professor Tobias Faix, Rektor der CVJM-Hochschule und Leiter des Instituts empirica sagte auf dem Fachtag zur Veröffentlichung der Studie über die Entwicklung der Studie in seinem Team: „Wir mussten viele Widerstände überwinden. Aber wir wollten gemeinsam, fragend, frei und nicht wertend hinschauen: Wie sieht die Wirklichkeit eigentlich aus?“
Die Studie besteht aus drei Teilstudien mit unterschiedlichem Fokus:
- Eine Diskursanalyse mit der Frage: Wie wird über Sexualität gesprochen – und was bleibt ungesagt? Analysiert wurden dabei vor allem pietistisch-evangelikale Medien sowie evangelisch-liberale Instagram-Posts.
- Qualitative Interviews: In Sprachnachrichten schilderten Christ*innen persönliche Spannungen und Dilemmata im Umgang mit Sexualität. Hier konnten Muster und Strategien im Umgang sichtbar gemacht werden.
- Quantitative Befragung: Eine Online-Befragung mit über 10.600 Teilnehmenden zeigte, dass das Thema Sexualität vor allem Menschen ansprach, die jünger, weiblicher, queerer, gebildeter und religiöser sind als der bundesdeutsche Durchschnitt.
Die Ergebnisse sind aufschlussreich – auch für den Umgang mit sexualisierter Gewalt
Die Studie zeigt, dass Glaube und sexuelles Verhalten bei vielen Befragten in einem Spannungsverhältnis stehen. Christ*innen haben in Partnerschaften mehr Sex als der bundesdeutsche Durchschnitt, christliche Singles jedoch deutlich weniger. Dabei sind Christ*innen nicht prüder und nicht homogener als andere, so die Studie. Gleichzeitig leben offenbar viele von ihnen entgegen den eigenen sexualethischen Überzeugungen. Das verstärkt vor allem bei Aspekten wie Masturbation, Homosexualität oder Pornografie Schuldgefühle.
„Richtiges sexuelles Verhalten wird als Identitätsmarker für ‚richtiges‘ Christsein genutzt“, so Jennifer Paulus, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Studie bei der Präsentation der Ergebnisse. Über Sexualität werde in konservativen Kreisen viel gesprochen – aber eher über Quantität als über die Qualität. In Familien dagegen herrsche oft Sprachlosigkeit: Die meisten Befragten gaben an, dass zuhause kaum über Sexualität gesprochen wurde – außer mit dem Hinweis, keinen Sex vor der Ehe zu haben.
Hier ergibt sich eine Gefahr: Die einseitige Kommunikation gepaart mit Sprachlosigkeit biete einen Nährboden für sexualisierte Gewalt, so die Wissenschaftler*innen der CVJM-Hochschule. Diese würde zudem häufig nicht hinreichend oder gar nicht aufgearbeitet: „Sexualisierte Gewalt ist eine Gesamtaufgabe aller Kirchen und Gemeinden, unabhängig von Konfession und Denomination!“, so Faix.
Zugleich fiel auf, dass queere Christ*innen in kirchlichen Kontexten häufig Ausgrenzung und sexualisierte Gewalt erfahren. Sie werden etwa aus Leitungsfunktionen ausgeschlossen oder berichteten von subtilen Formen der Diskriminierung. „Unabhängig von der theologischen Haltung haben wir als Christ*innen die Aufgabe, niemanden auszugrenzen“, betonte Faix.
Er würdigte die Arbeit und das Engagement seiner Hochschulkollegen Professor Dr. Tobias Künkler für den quanitativen Teil der Forschung und Professor Dr. Daniel Wegner, der den qualitativen Teil der Forschung leitete, die Interviews und die Diskursanalyse durchführte.
Weitere Informationen
Hier finden Sie Informationen zur empirica Sexualitätsstudie von der CVJM-Hochschule in Kassel. Auf derselben Seite finden Sie außerdem den Forschungsbericht zur Studie und die Zusammenfassung der empirica Sexualitätsstudie.
Bücher zur Studie
Darüber hinaus sind zwei allgemein verständliche Bücher zur Studie erschienen:
„Unsere Geschichte mit Sex. Einblicke in laute Debatten und leise Lebensgeschichten. Qualitative Ergebnisse der empirica Sexualitätsstudie“, von Daniel Wegner, Jennifer Paulus, Leonie Preck und Tobias Künkler, 256 Seiten, 25 Euro
„Sexualität und Glaube. Prägungen, Einstellungen und Lebensweisen. Quantitative Ergebnisse der empirica Sexualitätsstudie“, von Tobias Künkler, Tabea Peters, Ramona Wanie und Tobias Faix, 256 Seiten, 27 Euro.